Harald Schneider

Englisch im Spannungsfeld der Mehrsprachigkeit in der Schweiz und Graubünden

1. Englisch als lingua franca - ein kurzer historischer Abriss

Eine Sprache muss im wesentlichen drei Kriterien erfüllen, um als Lingua Franca klassifiziert zu werden: [1]

  • Akzeptanz von Nichtmuttersprachlern
  • Offizieller Status in anderen Ländern
  • Verwendung in einigen wichtigen Bereichen, etwa in der Diplomatie, in der Wirtschaft oder Wissenschaft.

Bevor Französisch ab dem 17. Jahrhundert die bevorzugte Wahl für eine Lingua Franca wurde, hatten auch schon Latein und Spanisch diese Position inne. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts hat Englisch diese Rolle übernommen. Wie ist es dazu gekommen? Wird Englisch weiterhin die Lingua Franca of the World bleiben?

Als Normannisch durch Wilhelm den Eroberer im Jahr 1066 (Battle of Hastings gegen die Saxons) von England Besitz ergreift, etabliert sich Französisch als anerkannte Sprache. Diesen Siegeszug setzt Französisch in Europa fort. Von der Französischen Revolution bis zur Napoleonischen Zeit dominieren die französische Sprache und Kultur in Europa. Am Wiener Kongress (1814-1815), auf dem die Neuordnung Europas nach Napoleon bestimmt wird, ist die Lingua Franca ebenfalls Französisch. Als Frankreich weite Gebiete außerhalb Europas (Kanada, Louisiana, einige karibische Inseln und Teile Indiens) erobert, ist Frankreich am Zenit seiner Macht.

Ab dem 18. und 19. Jahrhundert gewinnt die englische Sprache enorm an Bedeutung. Diese Entwicklung beginnt mit der Industriellen Revolution im 18. Jahrhundert in Großbritannien. Das Britische Weltreich manifestiert seine Macht hauptsächlich über seine Flotte und erreicht im Viktorianischen Zeitalter (19. Jahrhundert) seine grösste Ausdehnung, von Indien bis Australien, von der Karibik über Britisch Guinea in Südamerika, von Afrika und Territorien in Südostasien bis in den Nahen Osten. Großbritannien und die mittlerweile unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika sprechen Englisch und sind die produktivsten und am schnellsten wachsenden Wirtschaftsmächte der Welt.

Französisch bleibt an den Höfen Europas bis nach Russland eine wichtige Diplomatensprache, eine Eigenschaft, die ihr heute aber nur noch gelegentlich attestiert wird. Englisch als Lingua Franca findet nun aber nicht nur im Britischen Reich, sondern insbesondere in Englands ehemaliger nordamerikanischer Kronkolonie, den Vereinigten Staaten von Amerika, Anwendung. Mit amerikanischen Technologien und militärischer Dominanz gewinnt Englisch in der Welt zunehmend an Gewicht und Macht. Die wahre Kraft und Verbreitung der Sprache wird nach dem Zusammenbruch des Kommunismus noch deutlicher sichtbar und findet in einer hybridisierten Form von Englisch ihren Niederschlag. Crystal (2012) bezeichnet dieses Phänomen als Global English und hält dazu fest, dass diese Variation der englischen Sprache in den späten 1980ern und 1990ern ihren Anfang hatte. Als globales, wirtschaftliches Machtzentrum exportieren die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Kultur – von Popmusik, Internet über TV-Serien bis Kino – in die ganze Welt.

Die Koexistenz mehrerer englischer Sprachvariationen in verschiedenen Kulturen und Regionen auf der ganzen Welt mit einem gemeinsamen Global English hält McCrum (2011) als Globish - einer internationalen Form von Englisch als Lingua Franca - für denkbar. Für Marques (2017) stellt sich dazu folgende Frage:

«Wenn Englisch mit knapp 330 Millionen Muttersprachlern und 1,5 Milliarden Zweitsprachlern bis auf weiteres die Funktion als Lingua Franca einnehmen wird, welches English (Globish, Gerglish, Spanglish, etc.) wird dies sein?» Konstituiert sich dann - als eine Form von «reziprokem Kolonialismus bzw. Imperialismus» - eine entwurzelte Variante der englischen Sprache?

 

2. Die Situation in der Schweiz

Als offiziell viersprachiges Land weist die Schweiz ein anspruchsvolles und ihrer besonderen Sprachensituation angepasstes Sprachenkonzept für die obligatorische Schule auf. Es umfasst das Erlernen einer zweiten Landessprache und Englisch ab der Primarstufe. In 23 Kantonen wird dieses Konzept heute umgesetzt: In 22 Kantonen lernen die Kinder die erste Fremdsprache spätestens ab dem 5. Jahr der obligatorischen Schule und die zweite Fremdsprache ab dem 7. Jahr. Der Kanton Tessin mit drei obligatorisch zu lernenden Fremdsprachen sowie der Kanton Graubünden weisen ihre eigenen Modelle auf. Die weitere Entwicklung ist kurz zusammengefasst durch folgende Meilensteine gekennzeichnet:

  • L2 für alle Kinder ab den 1970er-Jahren
  • Der Sprachenkompromiss von 2004
  • Zielharmonisierung als Verfassungsauftrag
  • Kantonale Volksinitiativen Nur eine Fremdsprache an der Primarschule

Zum Stand in den Kantonen sollen nachfolgende Abbildungen (Abb. 1 und 2) als Illustration dienen.

Abb. 1: Fremdsprachenunterricht in der Schweiz.

Stand in den Kantonen im Schuljahr 2013/2014. In den Kantonen ohne Schraffur ist das Modell 3/5 (HarmoS 5/7) im Schuljahr 2013/2014 umgesetzt bzw. gestartet worden.

Abb. 2: Stand in den Kantonen im Schuljahr 2013/2014.

Oben nicht aufgeführt: AG, AI, UR (siehe Anmerkungen zu Grafik 1) und TI (besondere Situation).

 

Neben der Frage, wie viele Fremdsprachen in der Primarschule gelernt werden sollen, lautet die zweite dominierende Fragestellung im Schweizer Bildungssystem: Welche Fremdsprache soll zuerst unterrichtet und gelernt werden? Ausserhalb der Deutschschweiz wird in allen Landesteilen als erste Fremdsprache eine zweite Landessprache gelernt. In der Deutschschweiz gibt es dazu zwei Varianten: In den Kantonen an der Sprachgrenze und den zweisprachigen Kantonen wird zuerst eine zweite Landessprache gelernt, in den anderen Kantonen wird zunächst Englisch gelernt.

Unabhängig davon, mit welcher Sprache zuerst begonnen wird, sollen die Schülerinnen und Schüler in der ganzen Schweiz in beiden (Fremd-)Sprachen bis am Ende der obligatorischen Schulzeit vergleichbare Kompetenzen erwerben. Mit dem Beginn des Unterrichts beider Fremdsprachen in der Primarschule soll dieses Ziel erreichbar sein. [2]

Die Position von Englisch in der Schweiz ist stark mit Befindlichkeiten und Befürchtungen verbunden. Häufig wird «das Problem Englisch» als uneingestandener Komplex des Deutschschweizer Landesteils gesehen: Der deutschen Sprache weder besonders zugetan noch ihrer wirklich mächtig, flüchteten sich die Deutschschweizer in das Englische, das sie unterwürfig vergötterten. Dies führe nicht nur zur Schwächung der schweizerischen Viersprachigkeit, sondern zu einer «kulturellen McDonaldisierung», zu einer Provinzialisierung des Italienischen und zum weiteren Zurückdrängen des Französischen auf nationaler Bühne [3]. Eine (schweizerische – sic!) Nation, die sich des Englischen bediene bzw. sich dieser Fremdsprache unterwerfe, laufe einer angestrebten Mehrsprachigkeit zuwider und führe letztendlich zu einem ausschliesslich ökonomisierten und damit utilitaristischen Sprachverständnis. Auf weltpolitischer Ebene stünde hinter der Verbreitung des Englischen ein anglo-amerikanischer Hegemonieanspruch. Die Umsetzung von Frühenglisch (Early English) verfolge eben dieses Ziel und bewirke schliesslich, dass die Weltsprache Englisch schleichend zur Schweizer Nationalsprache werde und den Sprachfrieden in Lande (zer)störe. Für Haarmann (2002) [4] lassen sich dabei folgende fünf Gruppen beobachten:

  1. Opportunisten bzw. Konformisten
  2. Sentimentalisten (Anti-Anglophone)
  3. Globalisierungsgegner
  4. Anti US- Imperialisten
  5. Pragmatiker

Das Englische wird als imminente Bedrohung für die Landessprachen und als Gefahr für die nationale Schweizer Kultur empfunden. Die Vertreter der Gruppen 2, 3 und 4 fallen in diese Kategorie. Repräsentanten der Gruppen 1 und 5 haben sich mit der Position von Englisch offenbar abgefunden. Der o.a. Sichtweise hält Trudgill (2001) [Emeritierter Anglist an der Universität Fribourg, sic!] entgegen, dass die Fremdsprache Englisch als neutrales Kommunikationsmittel die Spannungen zwischen Mehrheits- und Minderheitssprachen der Schweiz durchaus entschärfen könnte. Seiner Meinung nach stelle die Schweiz auch bezüglich des «Problems Englisch» einen Sonderfall dar und sei bestenfalls mit Belgien oder Finnland zu vergleichen. Doch eben dieses von Trudgill propagierte «neutrale Kommunikationsmittel» wird von Proponenten der Gruppen 2, 3 und 4 als Gefährdung der Mehrsprachigkeit gesehen.

Dennoch scheinen diese negativen Befindlichkeiten der englischen Sprache gegenüber der Popularität von Englisch - insbesondere unter der jüngeren Schweizer Bevölkerung - keinen Abbruch zu tun. Die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Erhebung bestätigen diese Einschätzung. Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch in den Nachbarländern der Schweiz (Italien und Frankreich) beobachten, wo Englisch unangefochten die meistgelehrte und meistgelernte L2 darstellt. In den zahlreichen Sprachkursen in Grossbritannien stellen Lernende aus Italien und Spanien einen grossen Teil der Studenten dar.

In Deutschland und Österreich ist diese Entwicklung paradoxerweise nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere nach der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre (Civil Rights Movement) noch beschleunigt und verstärkt worden. Dabei gab es gerade in diesen Ländern starke, historisch begründete Widerstände gegenüber Englisch (wie auch gegen Französisch), der Sprache der (ehemaligen) Besatzungsmächte England und USA (bzw. Frankreich). Aber auch die vormals kommunistischen Länder (vor allem Polen, Tschechien, Slowenien, und Ungarn) erleben grossen Zuwachs an den Anglistik- bzw. Amerikanistikinstituten der Universitäten und Hochschulen. In Japan, Korea und China ist die meistbelegte Fremdsprache ebenfalls Englisch. In der autonomen italienischen Provinz Südtirol (Alto Adige) etwa weist Englisch mittlerweile beinahe dieselbe Stundendotation wie die Amtssprachen Deutsch und Italienisch auf. [5] Als für Schweizer Verhältnisse vergleichbares Land soll für Luxemburg stellvertretend folgendes Zitat eines Wissenschaftlers angeführt werden:

"Als ich Mitte der 1990er fürs Studium ins Ausland zog, verließ ich ein frankophones Land. Als ich zehn Jahre später zurückkam, war Luxemburg anglophon." Und weiter: "English […] is officially considered to be the first foreign language outside the trilingual framework. Plurilingualism is perhaps the true mother tongue of Luxembourgers." [6]

 

3. Empirische Erhebung

Im Rahmen der Modulveranstaltung «Grundlagen der Mehrsprachigkeitsdidaktik» wurden an der Pädagogischen Hochschule Graubünden zwei empirische Erhebungen in einem zeitlichen Abstand von einer Woche durchgeführt, um die o.a. Fragen mit einer soliden (wenngleich nicht repräsentativen) Datengrundlage auszustatten.

Die Fragen stellten sich folgendermassen dar. Zunächst wurde die Sprachensituation in der Schweiz im Allgemeinen und in Graubünden im Besonderen hinterfragt. Daran anschliessend wurde die Frage nach der Kenntnis des Bündner Sprachenkonzepts gestellt. Die nächsten Fragen betrafen die Position der Fremdsprache Englisch. Konkret, ob jeder Kanton im selben Lernjahr mit Englisch beginnen sollte bzw. ob Englisch die Rolle der ersten lebenden Fremdsprache übernommen habe und ob dies sowie die damit verbundene Einführung von Frühenglisch gerechtfertigt sei. Der Umstand der unterschiedlichen Wahrnehmung bzw. Bewertung von Englisch in der Schweiz sowie ob Englisch eine leicht zu lernende Fremdsprache darstelle und damit auch später zugunsten einer anderen (vermeintlich schwereren) gelernt werden könne, ist ein weiterer Aspekt des Fragebogens. Die zentralen Fragen nach der politischen und wirtschaftlichen Anglo-amerikanischen Dominanz und der damit einhergehende ge- bzw. zerstörte Bündner Sprachfriede sind Kernanliegen der vorliegenden Erhebung.

Der Fragebogen im Detail: Jede Frage wurde mit drei Antwortmöglichkeiten versehen: Ja, nein, weiss nicht. Dazu wurde dementsprechend Raum für zusätzliche Bemerkungen und Interpretationen gegeben.

  1. Die Sprachensituation in der Schweiz bzw. In Graubünden ist kompliziert. (Ja/Nein/weiss nicht)
  2. Ein Schweizer Sprachenkonzept is folglich unmöglich. (Ja/Nein /weiss nicht)
  3. Der Kanton Graubünden ist ein spezieller Fall und sollte dementsprechend behandelt werden. (Ja/Nein – warum? warum nicht? /weiss nicht)
  4. Das Sprachenkonzept der Schweiz bzw. Graubündens ist mir bekannt. (Ja/Nein/Teilweise)
  5. Jeder Kanton sollte im selben Lernjahr mit Englisch beginnen. (Ja/Nein - warum? warum nicht? /weiss nicht)
  6. Englisch hat die Rolle der ersten lebenden Fremdsprache übernommen. (Ja/Nein/weiss nicht)
  7. Aussage 6 ist gerechtfertigt. (Ja/Nein /weiss nicht)
  8. Englisch wird in der Schweiz unterschiedlich wahrgenommen und bewertet als in anderen europäischen Ländern. (Ja/Nein /weiss nicht)
  9. Englisch ist eine leicht zu lernende Fremdsprache und kann demnach auch später gelernt werden. Es sollte mit einer schwereren Fremdsprache begonnen werden. (Ja/Nein /weiss nicht)
  10. Hinter Englisch verbirgt sich eine imperialistische (Anglo-Amerikanische) wirtschaftliche und politische Motivation. (Ja/Nein /weiss nicht)
  11. Frühenglisch und die Position von Englisch schaden der Schweiz in ihrem Selbstverständnis im Allgemeinen und Graubünden im Besonderen. (Ja/Nein /weiss nicht)           

 

4. Resultate

Abb. 3: Umfrage 1 «Englisch im Spannungsfeld der Mehrsprachigkeit in der Schweiz/Graubünden» (durchgeführt im Rahmen der Modulveranstaltung «Grundlagen Mehrsprachigkeitsdidaktik» an der PHGR, 15. Nov. 2019). (Nicht repräsentative Stichprobengrösse n=20).

 

Abb. 4: Umfrage 2 «Englisch im Spannungsfeld der Mehrsprachigkeit in der Schweiz/Graubünden» (durchgeführt im Rahmen der Modulveranstaltung «Grundlagen Mehrsprachigkeitsdidaktik» an der PHGR, 22. Nov. 2019). (Nicht repräsentative Stichprobengrösse n=15).

Abb. 5: Gesamtgruppe (Umfrage 1 und 2).

 

5. Interpretation

Die vorliegende empirische Untersuchung erhebt aufgrund der (geringen) Grösse der Population (Stichprobe) keinen Anspruch auf Repräsentativität. Ebenso muss in Betracht gezogen werden, dass es sich bei den Informanten um Studierende im Alter von 19 bis 30 Jahren handelt. Dennoch lassen sich Trends erkennen und Schlüsse ziehen.

Die Frage, ob die Sprachensituation in Graubünden kompliziert sei, beantworten gesamthaft 80% mit ja und 20 % mit nein. Ein Schweizweites Sprachenkonzept halten 60 % für möglich, gut 30 % für nicht möglich; 10% haben dazu keine Meinung. Eine ähnliche Verteilung ist bei der Frage nach der Berechtigung eines solchen Konzepts zu finden (knapp 70% ja, nicht ganz 20 % nein, ca. 10 % ohne Meinung). Bezüglich des Bekanntheitsgrades dieses Sprachenkonzepts sind ca. 60% mässig informiert, ca. 22% gar nicht informiert, lediglich 18% haben Kenntnis davon. Dazu ist anzumerken, dass die Informanten Studierende des ersten Semesters an der PH Graubünden sind. Dies erklärt zum Teil den geringen Bekanntheitsgrad bzw. die dementsprechende Berechtigung des besagten Sprachenkonzeptes.

Mehr als 70% der Befragten sind der Meinung jeder Kanton sollte gleichzeitig mit Englisch als erster L2 beginnen; die Anzahl der Ablehnungen bzw. jener ohne Meinung ist in etwa gleich gross (16% bzw. 14%).

Eine analoge Verteilung findet sich auch bei der Frage, ob Englisch die Position der ersten L2 innehabe (70% ja, ca. 23% nein). Bei der Frage nach der Berechtigung dieser Positionierung sinkt die Zustimmung auf knapp unter 50%, ebenso die Ablehnung dazu (20%); dagegen steigt der Anteil der Unentschlossenen (ca. 30 %). Das starke Votum für Englisch als erste L2 bedingt nicht zwingend die daraus folgende Positionierung bzw. Berechtigung dieser Fremdsprachenwahl.

Die grösste Unsicherheit (oder Unkenntnis) offenbart sich bei der Frage, ob der Stellenwert von Englisch in der Schweiz anders gesehen wird als in anderen europäischen Ländern. Knapp 60% haben dazu keine Meinung (Kenntnis) gegenüber 30% Zustimmung und 10%iger Verneinung dieser Frage.

Ob Englisch als Fremdsprache leicht zu lernen ist (und deshalb auch später begonnen werden könne), oder nicht, wird in etwa gleich beantwortet, mit leichtem Überhang zu «nein»; Gut 20% haben dazu keine Meinung. Dies scheint doch in gewissem Widerspruch zur allgemeinen Einschätzung bezüglich der Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch) zu stehen. Häufig wird die Meinung vertreten, man solle mit Französisch bzw. Italienisch beginnen, Englisch könne ja zu einem späteren Zeitpunkt mühelos gelernt werden.

In Frage 10 wurde versucht zu eruieren, ob hinter Englisch imperialistische Motive stünden. Dies können ca. 45% nicht beantworten. Zustimmung bzw. Ablehnung halten sich diesbezüglich die Waage (knapp. 30%).

Die eindeutigste Antwort ergab die Umfrage bei Frage 11. Nur 4% (konkret 1 Informant) sieht durch die Einführung von Englisch (Early English) das Schweizer Selbstverständnis bzw. den Sprachfrieden in Graubünden als gefährdet. Mehr als 60 % sehen o.a. Befürchtungen als nicht gegeben, ca. 30 % haben dazu keine Meinung.

Mehrfache Zusatzbemerkungen offenbaren die Problematik sehr deutlich; besonders bei Frage 3 bezüglich der besonderen Situation im Kanton Graubünden. Der Umstand, dass es im Kanton eine einzigartige (trilinguale) Voraussetzung gibt, wird sehr wohl anerkannt und als kulturelle Errungenschaft auch geschätzt. Ebenso wird Italienisch als Kantonssprache anerkannt, weniger Erwähnung hingegen findet Romanisch, das ebenfalls Kantonssprache ist. Der Erhalt der Kultursprachen und die Sprachenvielfalt werden zwar als besonders erstrebenswert gesehen, nicht aber auf Kosten eines späteren Beginns mit Englisch.

Das Bündner Dilemma manifestiert sich besonders augenscheinlich bei Frage 5 (Beginn der Fremdsprache Englisch). Hier fordern sämtliche (sic!) Kommentare den Beginn von Englisch im selben Lernjahr für alle Kantone der Schweiz, vor allem aus Gründen vergleichbarer (beruflicher) Voraussetzungen und der Fairness. Damit allerdings stellt sich unweigerlich die curriculare Bedingung für Graubünden: Bei einem nationalen (schweizweiten) Beginn mit Englisch als L 2 werden Italienisch (bzw. Französisch und Romanisch) zwingend zur L3.

 

Anmerkungen

[1] Crystal (2012).

[2] vgl. EDK Broschüre Ich lerne Sprachen, www.edk.ch

[3] Ribeaud, in Künzli (2001).

[4] Schneider (2019).

[5] Vgl. Südtiroler Grundschule, inklusive Mittelschule: http://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/deutschsprachige-schule/default.asp

[6] Vgl. rm.coe.int/language-education-policy-profile-luxembourg/16807b3c27.pdf

 

Literatur

Crystal, D. (2012). English as a Global Language. Cambridge, New York: Cambridge University Press.

McCrum, R. (2011). Globish – How English Became the World’s Language. New York, London: Norton.

Watts, R. J. & H. Murray (Hrsg.). (2001). Die Fünfte Landessprache Englisch in der Schweiz. Zürich: vdf. Verlag ETH.

Watts, R. & P. Trudgill (Hrsg.). (2001). Alternative Histories of English. London: Routledge.

 

Websites und pdf-Dokumente

www.transkom.eu/bd01nr02/transkom_01_02_01_Kalverkaemper_Kampf_der_Kulturen.20081218.pdf. Zugriff am 30.11.2019.

Künzli, Andreas (Schweiz). Ist Englisch gut oder schlecht für die Schweiz? www.plansprachen.ch/files/ENGLISCHINDERSCHWEIZ.pdf. Zugriff am 30.11.2019.

Schneider, Harald (2019). Englisch-Zertifikate an Pädagogischen Hochschulen der Schweiz -- eine empirische Erhebung. Chur. pdf.

Marques, N. (Babbel Magazin 25/07/2017) de.babbel.com/de/magazine. Zugriff am 3.12.2019.

https://rm.coe.int/language-education-policy-profile-luxembourg/16807b3c27.pdf, Zugriff am 3.12.2019.

https://www.nzz.ch/schweiz/mythos-mehrsprachige-schweiz-ld.1317470. Zugriff am 3.12.2019.

https://edudoc.educa.ch/static/web/arbeiten/sprach_unterr/fktbl_sprachen_d.pdf. Zugriff am 3.12.2019.

www.edk.ch > Arbeiten > Sprachenunterricht. Zugriff am 3.12.2019.

www.akademien-schweiz.ch. Zugriff am 3.12.2019.

https://www.sprachenunterricht.ch/themen?f[0]=field_themenbereich:25. Zugriff am 3.12.2019.

https://bildungssystem.educa.ch/de/sprachenunterricht-0. Zugriff am 3.12.2019.

http://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/deutschsprachige-schule/default.asp. Zugriff am 3.12.2019.

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